Alle hassen Tipico? Woher kommen die Warnungen & schlechten Testberichte?

Mit über 50 % Anteil am Sportwettenmarkt ist tipico in Deutschland das Synonym für Sportwetten. Selbst im kleinsten Dorf ist mittlerweile einer der 1250 Wettshops zu finden. Olli Kahn gibt mit Botox-Lächeln und dem ziemlich gelungenen Claim „Ihre Wette in sicheren Händen“ der Marke ein Gesicht. Zur Bekanntheit tragen zudem die prestigeträchtigen Partnerschaften mit dem FC Bayern München und die Namensrechte an der österreichischen Bundesliga bei. Wer Fußball schaut, bekommt bei Sky Sports und im Stadion mit Bandenwerbung die tipico-Dauerberieselung.

Auch im Internet wurde kräftig die Werbetrommel für tipico gerührt. Doch seit Anfang Mai 2020 liest man auf vielen Testseiten und Portalen rund um das Thema Sportwetten Warnungen vor Tipico und extrem schlechte Testberichte. Teilweise haben sich Bewertungen des Wettanbieters innerhalb weniger Tage von hervorragenden Wertungen im 90 % Bereich zu extrem schlecht geändert. Einige Seiten gehen noch weiter und empfehlen ihren Lesern, Konten direkt zu schließen! Das ist echt harter Tobak!

Was also ist passiert? Woher der plötzliche Hass auf tipico? Haben die neuen Besitzer kleine Kinder gefressen, die Abseitsregel beim Fußball abgeschafft oder Kundengelder gestohlen? Um zu verstehen, was genau passiert ist, muss man einen kurzen Blick auf die Firmengeschichte und die Corona-Krise werfen.

Das Bayern München der Sportwettenwelt? tipico polarisiert

Der FCB mag zwar der erfolgreichste Verein Deutschlands sein, hat aber nicht nur Fans. Der Anteil an echten Hatern dürfte wohl nur noch von RB Leipzig getoppt werden. Doch während Bayern gefühlt jedes Jahr ein Dutzend Leistungsträger seinen Konkurrenten wegkauft und somit den Wettbewerb in der Bundesliga schwächt (aber international als einziges Tema noch nennenswerte Erfolge einfährt), hat sich tipico seine Marktposition ohne größere Zukäufe erarbeitet. Man hätte sicherlich auch einfach Mybet, Bet3000 und Co aufkaufen können und so seinen Marktanteil vergrößern können. Doch tipico setzte seit der Gründung 2004 konsequent auf eigene Shops und Lizenznehmer sowie das eigene Wettangebot und einen klaren Fokus auf Deutschland.

Die Quoten – eigentlich das wichtigste bei Sportwetten – waren nie sehr gut. Doch dafür wusste tipico, wie man Kunden gewinnt und – noch wichtiger – hält.

Neue Investoren, neue Schulden

2016 kaufte CVC 60 % der Anteile von tipico und leitete ein neues Zeitalter ein. Sogenannte Priovate Equity Unternehmen haben einen schlechten Ruf und gelten als Heuschrecken, die nur Gewinne abschöpfen und Unternehmen ausbluten lassen.

CVC will vor allem kurz und mittelfristig Rendite aus tipico quetschen. Zusätzlich zu dem bereits laufenden Kredit in Höhe von 890 Millionen Euro hat man darum 2019 einen weiteren über 550 Millionen Euro aufgenommen. Doch dieses Geld wurde nicht komplett in das Unternehmen tipico investiert, wie man als normaler Mensch wie ich vermuten würde. Statt dessen wurden in der Form von Dividenden fast eine Milliarde wieder an die Anteilseigner ausgeschüttet. Das Fachmagazin Wirtschaftswoche schrieb darum schon vor vier Wochen – leider hinter einer Bezahlschranke:

Unternehmen wie Tipico, Douglas oder Autoscout24 sind in der Hand von Finanzinvestoren und haben deshalb hohe Schulden. Die Krise könnte die Stars der Branche entzaubern. Quelle: WiWo

Vor der Corona-Krise hatte die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit der Tipico-Muttergesellschaft lediglich mit der Note B bewertet. Klingt für Laien gut, aber im Endeffekt heißt diese Bewertung, dass Zahlungsprobleme bei einer Schieflage wahrscheinlich sind. Damals machte tipico immerhin noch jede Menge schnelles Geld mit Sportwetten und Casino. Dass plötzlich für Wochen die über 1250 Shops geschlossen sein würden und online kein Geld mit Sportwetten verdient werden würde – das war absolut nicht absehbar. Selbst wenn die Bundesliga morgen wieder losgeht, die Einnahmen in diesem Jahr sind eine Katastrophe. Schlimmer noch: Durch die Verlegung der EM und Olympischen Spiele entsteht zusätzlicher finanzieller Schaden.

Tipico in der Corona-Krise

Das Geld aus den Krediten ist wie oben beschrieben bereits in die Taschen der Investoren gewandert. Nur ein kleinerer Betrag wurde für den Kauf von 33 neuen Wettshops ausgegeben. Neue Kredite bei der derzeitigen Situation? Ich bin ja kein Banker, aber wenn ich einer wäre, ich würde keine bewilligen. Was also tun? Kosten reduzieren und neue Einnahmequellen finden. Letzteres ist aber nur begrenzt möglich. Klar, der Hardcore-Wett-Süchtige wird vielleicht auch mal nen Zehner auf eSport oder ein simuliertes FIFA-Soccer-Spiel setzen, wenn schon kaum echter Sport verfügbar ist.

Ersetzen kann virtueller Sport und eSport das Wetten auf echten Sport nicht. Da tipico alles mögliche unternimmt, um die neue deutsche Sportwetten-Lizenz zu bekommen, hält man sich darum auch von sogenannten Entertainment-Wetten auf die Oscars, politische Wahlen oder etwa Wrestling fern.

Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Werbetreibenden

Um die Kosten zu reduzieren müssen darum sogenannte Affiliates dran glauben. Das sind Werbepartner, die auf den unzähligen Internetseiten tipico und andere bewerben. Wenn du dich über deren Links registrierst, bekommen diese entweder eine einmalige Vergütung oder werden an deinen Verlusten beteiligt. Das ist ein ganz einträgliches Geschäftsmodell. Auf sportwettenFM verwenden wir übrigens ebenfalls solche Partnerlinks. Allerdings sind wir da doch deutlich transparenter und, wie wir finden, ehrlicher als andere. Unsere Bewertungen basieren nicht darauf, wie viel uns ein Sportwettenanbieter bezahlt, sondern wie empfehlenswert wir diesen finden.

Anfang Mai 2020 kündigte tipico die Verträge mit vielen (oder wahrscheinlich den meisten) Affiliates einseitig auf. Und das ist der wahre Grund für den Hass und Frust, der tipico entgegen schlägt. Denn leider sind die meisten Testberichte sowieso nur Quatsch und sollen dich zu einer Anmeldung animieren. Seriöse und ehrliche Sportwetten-Seiten sind rar.

Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein echter Hammer, wenn ein Unternehmen wie tipico erst jahrelang Webseitenbetreibern lebenslange Einnahmen verspricht, und dann von einem Tag auf den anderen sämtliche Zusammenarbeit einstellt.

Exkurs: Wie verdienten Affiliates mit tipico Geld

Um zu verstehen, warum es so viele Warnungen vor Tipico gibt, muss man sich mit dem Geschäftsmodell Sportwetten-Werbung befassen. Im Endeffekt dominieren drei verschiedene Modelle den Markt. Bei CPA (Cost per Action) bekommt der Affiliate einmalig einen Betrag, sobald ein Spieler sich anmeldet und einzahlt.  Meistens erhalten Werbetreibende aber eine Beteiligung auf die monatlichen Verluste der Spieler – teilweise in Kombination mit einer einmaligen Prämie. Das nennt sich dann Revenue Share bzw Hybrid-Deal.

Diese Kommissionszahlungen wurden von tipico als lebenslanges Einkommen für die Affiliates beworben. Wenn ein Spieler 10 Jahre lang bei tipico Kunde ist und fleißig spielt, generiert er 10 Jahre lang Einnahmen. Wenn tipico nun plötzlich diese Zusage bricht, dann kann man durchaus nachvollziehen, warum so viele Seiten plötzlich extrem stinkig sind.

Die moralische Komponente, ob denn das bewerben von Sportwetten mit nicht wirklich unabhängigen Testberichten so richtig ist, lass ich mal außen vor. Gerade ein Wettanbieter muss sich an seiner Ehrlichkeit messen lassen. Und wenn Zusagen nicht gehalten werden, während man zeitgleich aber enorme Millionen-Beträge an die eigenen Investoren ausschüttet, dann kommen Zweifel auf. Juristisch können und wollen wir das Ganze gar nicht bewerten. Aber da diese Seiten ja mitunter eine ganze Menge Geld investieren, um tipico überhaupt Spieler zu liefern, ist der Frust, der tipico entgegen schlägt, verständlich.

Was ist dran an den Vorwürfen gegen Tipico?

In den ganzen schlechten tipico Bewertungen wird plötzlich allerlei thematisiert. Schauen wir uns darum mal im Detail an, was angeblich so schlecht an tipico sei

Mieser Kundendienst?

Insbesondere auf den Support haben sich einige Seiten so richtig eingeschossen. Die tipico-Mitarbeiter seien inkompetent, arrogant und würden nicht helfen. Jetzt mag der Kundendienst dort vielleicht nicht der beste sein, da stimme ich sogar vollkommen zu. Wer hier auf Malta, wo die Redaktion von sportwettenFM sitzt, mal ins Gespräch mit einem tipico-Kundendienstler kommt, der hört oft die gleichen Beschwerden: Unterdurchschnittliche Bezahlung, hohe Belastung, hohe Fluktuation bei den Angestellten.

Aber gerade während der Corona-Krise haben die Jungs und Mädels dort deutlich weniger Anfragen und mehr Zeit, diese zu beantworten. Darum ist der Vorwurf bzw. die Warnung vor Tipico während COVID-19 faktisch nicht haltbar.

Schlechte Quoten?

Dieser Vorwurf hat schon ein wenig mehr Substanz. Deutsche Sportwetter sind nicht gerade als die mathematisch besten bekannt. Wir wetten eher aus dem Bauch und freuen uns schon über mittelmäßige Quoten. Das versteht tipico perfekt auszunutzen. Allerdings fanden das früher die Affiliates alle richtig geil. Denn je mehr die Spieler bei tipico verloren haben, desto mehr verdiente der Affiliate.

Nicht ohne Grund galt tipico als Gelddruckmaschine, wie man selbst Brancheninsider unumwunden zugeben. Buchmacher wie zum Beispiel Bet365 haben für viele Events einen besseren Quotenschlüssel. Die sogenannte Buchmachermarge ist bei tipico sehr hoch. Gibt natürlich auf der anderen Seite auch jede Menge Seiten mit schlechteren Quoten. Nicht unterschlagen werden sollte außerdem, dass tipico bis jetzt immer die Wettsteuer für die Spieler übernommen hat.

Dass dieses Thema ausgerechnet dann zur Sprache kommt, nachdem die Affiliates nicht mehr an diesen schlechten Quoten verdienen, könnte man auch süffisant mit Karma bezeichnen.

Viele stornierte Wetten?

Dieser Vorwurf ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Es gibt keine Belege dafür, dass bei tipico Wetten häufiger oder absichtlich falsch ausgewertet werden. Daher ist die Warnung vor Tipico hier definitiv unfair.

Wenige Wettmärkte?

Es stimmt hingegen, dass ich bei anderen Buchmachern deutlich mehr Wettmärkte habe. Das hat jedoch ebenfalls Gründe: Einerseits ist tipico wie kein anderer auf die deutsche Sportwetten-Lizenz angewiesen. Der deutsche Gesetzgeber mag keine Spezial-Wetten auf Politik oder Events. Und aus Jugendschutzgründen sind Wetten auf Jugendmannschaften ebenfalls ein Dorn im Auge. Dazu spielen einige Wettmärkte für tipico halt keine Rolle, da die Spieler nur aus Deutschland und Österreich kommen. Warum Ressourcen verschwenden, wenn eh keiner auf die angebotenen Wetten setzt?

Veraltete Webseite?

Tipico hat eine riesige Niederlassung in Karlsruhe, in der ziemlich talentierte IT-Menschen am Produkt schrauben. Einige Features fehlen zwar dennoch, aber die Seite ist insgesamt mindestens durchschnittlich. Das Design ist zwar wirklich ein wenig altbacken, aber das ist erstaunlicher Weise wieder so eine deutsche Sache, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Spieler aus Deutschland lieben es eher klassisch.

Auch hier zielen die Warnungen vor Tipico vor allem darauf ab, es dem Wettanbieter heimzuzahlen. Denn auf der anderen Seite hat tipico einige Apps und Features am Start, die sogar Maßstäbe setzen. Ein Beispiel wäre die App Bundesliga6, die in kürzester Zeit ein riesiger Erfolg wurde.

Verlust der Vertrauenswürdigkeit

Bleibt noch der Vorwurf, tipico habe durch einseitige Kündigung von Geschäftsbeziehungen sich als Wettanbieter disqualifiziert. Denn wer sein Wort nicht hält, der könnte schließlich auch auf die Idee kommen, Wetten nicht auszuzahlen. Ich bin da ein wenig vorsichtig und würde erstmal abwarten, wie hier denn die Gerichte entscheiden. Einige Affiliates werden tipico sicherlich verklagen. Vielleicht ist tipico ja auch vollkommen im Recht?

Ein ungutes Gefühl bleibt aber bei mir. Denn bei Sportwetten geht es immer um Vertrauen.

Fazit: Sind die Warnungen vor Tipico berechtigt?

Alarmsignale gibt es einige. Im Artikel haben wir einige Berichte von Wirtschaftsjournalisten verlinkt, die das Geschäftsmodell kritisch sehen. Dazu kommt erschwerend die Corona-Krise hinzu, die tipico mit voller Breitseite trifft.

Das Angebot könnte besser sein, und ein Quasi-Monopol mit mehr als 50 % Marktanteil in Deutschland ist grundsätzlich nicht so gut für den Wettbewerb. Persönlich glaube ich jedoch, dass nur der Wettanbieter, der gesetzeskonform ein vernünftiges Komplettprogramm anbietet, wirklich eine Chance hat. Von daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass tipico wie vor einigen Jahren BWIN abstürzt und jede Menge Marktanteile verlieren könnte.

Die Warnungen vor tipico sind aber überzogen. Auch wenn das Ansehen sicherlich gelitten hat, deine Wetten werden auch zukünftig ausgezahlt. Da Deutschland jedoch ein Land mit eher kleiner Sportwetten-Tradition ist glaube ich, dass zukünftig Spieler noch mehr nach guten Quoten Ausschau halten werden und so dazu beitragen, dass mehr Wettanbieter sich Marktanteile erobern. Affiliates hingegen werden mehr bieten müssen als inhaltslose Reviews und für Suchmaschinen optimierte Texte. Und vielleicht ist Google dann irgendwann soweit, die Qualität von Artikel besser einschätzen zu können.